Energie ist seit Menschen gedenken immer schon das Thema Nummer 1, das es zu lösen gilt. Dabei ist es sehr wichtig, dass Energie für die Unternehmen und privaten Haushalte kontinuierlich zur Verfügung steht und bezahlbar bleibt. Im Interview mit Antonia Meichelböck, Energieeffizienzcoach bei der SEMPACT AG, betrachten wir die Herausforderung von Unternehmen. Die drastischen Anstiege der Preise für Energieträger wie z.B. Heizöl, Gas, Strom und Kohle machen es aktuell allen Unternehmen schwer, ihre Energiekosten einzuspeisen und an den Verbraucher weiterzugeben - eine Herausforderung.

1. Wenn Sie im ersten Gespräch mit einem neuen Kunden sind, auf welche Erwartungen treffen Sie am häufigsten?
Das ist schwer pauschal zu beantworten, da jeder Kunde andere Erwartungen hat. Sowohl die Unternehmensgröße als auch der Entwicklungsstand ist bei jedem Kunden unterschiedlich. Große Unternehmen haben sich meist bereits mit dem Thema Energieverbrauch befasst und auseinander gesetzt - kleine Unternehmen und Mittelständler sind oft noch sehr auf die Produktion fokussiert und befassen sich jetzt erst mit Potenzialen in Gebäudeinfrastruktur und Versorgungsprozessen und haben hier Beratungsbedarf.
Grundsätzlich ist es die Erwartungshaltung, mit möglichst wenig Investition viel Energieeinsparung zu erzielen. Bei sogenannten "Low-hanging-fruits" ist es relativ einfach umsetzbar, den Energieverbrauch durch einfache Maßnahmen zu optimieren. Je nach Entwicklungsstand der Unternehmen erhöhen sich auch die Investitionen, denn je mehr Potenziale die Unternehmen schon gehoben haben, umso kostenintensiver wird es - wenn z.B. Maschinen ausgetauscht, Prozesse verknüpft oder ganze Anlagen erneuert werden müssen. Diese Umsetzung kann nur funktionieren, wenn die reine Betrachtungsweise von einem möglichst hohen Return on Investment (ROI) geändert wird, indem man weitere Faktoren mit einbezieht und langfristig denkt.

2. Welche Erwartungen betreffen Sie in Ihrer Beratungstätigkeit direkt?
Unsere Kunden erwarten in erster Linie Ideen und eine
wirtschaftliche Bewertung ihrer Potenziale. Dabei sind
ihnen unsere Empfehlungen als auch Einschätzungen
der zukünftigen Entwicklung wichtig. Wir unterstützen
unsere Kunden im gesamten Prozess, indem wir die
Umsetzung der Maßnahmen begleiten, Angebote für
sie einholen und Fördermöglichkeiten berücksichtigen.
Hier stehen wir ausschließlich auf Seite der Kunden,
da wir anbieterunabhängig sind. Somit können wir
eine erfolgreiche Projektentwicklung sicherstellen und
festgesteckte Ziele erreichen

3. Was sind die häufigsten Missstände, die in Unternehmen bei Ihren Analysen auffallen?
Grundsätzlich ist es wenig zielführend, nicht das gesamte
System und nur die einzelnen Bereiche als unabhängige
Prozesse zu betrachten. Bei Analysen wird oft klar,
dass sich einzelne Bereiche gut verknüpfen lassen (z.B.
Wärmerückgewinnung bei Druckluft, um das Heizsystem
zu unterstützen). Die reine ROI-Bewertung ist, wie
vorhin schon erwähnt, nicht auf energetische Maßnahmen
anzuwenden. Vor allem, wenn es um größere Maßnahmen
geht, ist er das falsche Instrument. Energetische Maßnahmen
rechnen sich oft nach längerer Zeit, daher gibt der ROI oft
einen falschen Blick auf die Maßnahme.

4. Welche Veränderungen und Einsparungen haben die Umwelt-Managementsysteme DIN ISO 50001 und EMAS auf die Unternehmen, welche nachhaltigen Effekte sehen Sie in diesen Unternehmen?
Mit EMAS haben wir bisher wenig Berührungspunkte. Unser Fokus liegt eher bei der ISO 50001. Veränderungen sind stark davon abhängig, wie ernsthaft das Unternehmen die Management-Systeme betreibt. Wenn Unternehmen diese ernsthaft umsetzen, sieht man eine klare Entwicklung. Unternehmen, die frühzeitig begonnen haben zu investieren, haben heute klare Vorteile gegenüber anderen. Die ISO 50001 gibt hierbei einen Gesamtblick. Man sieht sich das gesamte System an und geht Schritt für Schritt vor.
Wenn die ISO 50001 gewissenhaft betrieben wird, werden die
Mitarbeiter stärker in Prozesse und Unternehmensentwicklungen
einbezogen und sind informierter. Sie können sich einbringen.
Der Effekt davon ist mehr Motivation und Wertschätzung. Hier
findet neben dem ökologischen als auch der soziale Aspekt der
Nachhaltigkeit Anklang, indem Mitarbeiter gehört werden, sich
einbringen können und eine Stimme haben. Die Ernsthaftigkeit
wird gelebt und klarer. In Hinsicht auf EU-Taxonomie ist
hier eine wichtige Grundlage geebnet, um sich auf zukünftige
politische und rechtliche Rahmenbedingungen, wie zum
Beispiel die Berichtspflicht, einzustellen.

5. In welcher Technologie sehen Sie Ihrer Meinung nach das größte Einsparpotenzial für die Zukunft?
Das muss im Einzelnen betrachtet und kann nicht pauschal beantwortet werden. Regenerative Alternativen zur Wärmeversorgung ergeben Einsparpotenziale im Sinne der CO2-Emission - die zukünftig als mindestens genauso notwendig betrachtet werden muss, wie der wirtschaftliche Aspekt. Hier wird auch durch Automatisierung und Digitalisierung ein hohes Einsparpotenzial möglich sein.
Ein offener Austausch und der Wegfall von Konkurrenzgedanken
zwischen Unternehmen könnten Einsparpotenziale und
Innovationen beschleunigen. Zum Beispiel wenn ein
Unternehmen die Abwärme eines anderen nutzen kann. Wenn
Wissen geteilt wird oder auch der Fuhrpark. Örtlich vernetzte PV-Anlagen haben auch hohe Potenziale. Der Cloud-Gedanke sollte
nicht nur digital, sondern auch in der Praxis umgesetzt werden.
Das größte Einsparpotenzial liegt meiner Meinung nach, wie
vorhin schon erwähnt, darin, aufzuhören rein wirtschaftlich
zu bewerten und andere Faktoren mit einzubeziehen.
Momentan kommen so viele Technologien auf den Markt, dass
es falsch wäre, sich auf eine festzulegen.

6. Nach einer ersten Analyse und Bestandsaufnahme eines Unternehmens bis zur erfolgreichen Umsetzung ist es ein langer Weg. Welchen Zeitraum müssen Unternehmen realistisch einplanen?
Das ist individuell abhängig von den umzusetzenden
Maßnahmen. Wir bei SEMPACT bieten unseren Kunden
die komplette Bandbreite an. Von der einzelnen
Einsparmaßnahme bis zur kompletten Transformation zum
klimapositiven Unternehmen. Dabei zählt jeder Schritt.
Um wirklich etwas zu verändern, benötigen alle Beteiligten
Zeit zur ganzheitlichen Betrachtung und Planung von
Maßnahmen. Aus Erfahrung sind schnelle Maßnahmen
jedoch nicht die wirkungsvollsten. Wir wollen an die Ursache
ran und nicht gegen Symptome ankämpfen.

7. Bei fast allen Unternehmen wird Energie in Wärme umgewandelt und fast ungenutzt ins Freie abgeleitet, welche Möglichkeiten stehen hier Kunden zur Verfügung?
Zuerst einmal muss abgefragt werden, ob das
Unternehmen die Wärme anderweitig gebrauchen könnte.
Wie kann zum Beispiel die Wärme gebündelt werden?
Eine Möglichkeit wäre hier, statt dezentrale Luftkühler
eine zentrale Wasserkühlung an Maschinen (z.B.
Spritzgussmaschinen) anzubinden und somit die
Abwärme nicht in Umgebungsluft abzugeben, sondern
in ein zentrales Netz einzuspeisen. Die ausgekoppelte
Wärme könnte dann somit zur Heizunterstützung genutzt
werden und gleichzeitig würde der Energiebedarf für die
Klimatisierung reduziert.

8. Stichwort: Kälte aus Wärme?
Dazu braucht es eine Grundvoraussetzung: Die Wärme muss kostenlos zur Verfügung stehen (Abfallprodukt, Restwärme, Abwärme) und nicht extra dafür erzeugt werden. Das wäre absolut ineffizient, da immer ein Wärmeverlust durch die Umwandlung entsteht. Wenn Wärme also kostenlos zur Verfügung steht und nicht anderweitig eingesetzt werden kann, wie bei Ihrer letzten Frage erläutert, dann kann über Kälteerzeugung nachgedacht werden.
Für diesen Prozess gibt es Adsorptions- und
Absorptionskältemaschinen. Diese benötigen
unterschiedliche Temperaturniveaus und haben
unterschiedliche Investitionskosten. Grundsätzlich muss das
Temperaturniveau aber sehr hoch sein. (Absorption ab ca.
85 °C/ Adsorption ab ca. 65 °C). Der Einsatz dieser Maschinen
muss gut kalkuliert werden und ist vor allem abhängig von
den Betriebsstunden der Wärmeverfügbarkeit und vom
Temperaturniveau des Kältebedarfs, da die Maschinen im
Verhältnis zu normalen Kältemaschinen deutlich teurer
sind. Alles in allem müssen viele Kriterien erfüllt sein, dass
sich der Einsatz rechnet. Hier ist es wieder wesentlich,
bewusst das gesamte System zu betrachten und nicht
in einzelnen Prozessen zu denken.

9. Ein abschließender Gedanke?
Zusammenfassend kann ich sagen, dass es uns als Beratern
wichtig ist, dem Kunden auf Augenhöhe zu begegnen
und zu agieren, die Prozesse im Unternehmen genau zu
analysieren und spezifische und individuelle Lösungen zu
erarbeiten. Um langfristig effizient zu wirtschaften, müssen
alle Systeme des Unternehmens miteinbezogen werden. Ein
realistischer Erfolg der Maßnahmen ist auch immer davon
abhängig, dass alle Beteiligten am selben Strang ziehen. Nur
so kann Wandel ermöglicht werden.

Zur Person
Als studierte Ingenieurin ist für Antonia
Meichelböck das Gesamtpaket
von Energieeffizienzprojekten
ausschlaggebend. Sie betrachtet in
Ihren Analysen die ökologischen und
ökonomischen Auswirkungen und
entwickelt so nachhaltige Empfehlungen
für Kunden. In ihren Aufgabenbereichen
- technische Analysen, Energieaudits
und Betreuung des webbasierten
Energierechtkatasters - legt sie Wert auf
gleichwürdigen Kontakt und effiziente
Lösungen.